Lebenshilfe Havelland e.V. hilft: Mutter-Kind-Gruppe für ukrainische Mütter mit ihren Kindern!
Seit Monaten bombardiert Russland die Ukraine. Da die Männer zur Verteidigung im Land bleiben müssen, fliehen vor allem die Mütter mit ihren Kindern in die nahen westlich gelegenen Länder. Auch in Falkensee sind bereits viele Menschen gestrandet. Die Lebenshilfe unterstützt sie – und hat eine Mutter-Kind-Gruppe gegründet. Sie trifft sich inzwischen drei Mal in der Woche auf dem Gelände des Lebenshilfe-Centers in der Falkenseer Bahnhofstraße.
Tom Sukowski ist der Leiter des Familienunterstützenden Dienstes (FuD) im Verein Lebenshilfe Havelland e.V. Er erzählt: „Nur einen Tag nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine saß ich mit unserem Geschäftsführenden Vorstand Markus Janitzky zusammen. Er war sichtlich mitgenommen. Aufgrund seiner Vergangenheit bei der Bundeswehr konnte er sehr genau einschätzen, wie die Lage der Menschen in der Ukraine ist. Ich selbst habe in meinem Leben noch nie einen Krieg erlebt, der auf so vielen Ebenen so nah an uns dran ist wie dieser jetzt. Natürlich haben wir gleich überlegt, was wir tun können und wie wir helfen können. Die spontane Idee war es, Flüchtende an der Grenze abzuholen oder Spenden zu sammeln. Das hat aber alles nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.“
Markus Janitzky: „Uns ist schnell klargeworden, dass die Menschen aus der Ukraine zu uns kommen werden. Und dass es wegen der Ausreisebestimmungen vor allem Frauen mit Kindern sein werden. Wir haben bei uns im Havelland nicht die Strukturen, um die Kinder schnell in die Kitas und in die Schulen zu bringen. Deswegen haben wir die Idee entwickelt, ein Angebot vor allem für die Kinder zu schaffen, denn sie sind die Leidtragenden des Krieges – sie verlieren ihre ganze Kindheit. Wir haben Rücksprache mit dem Landkreis gehalten, um den rechtlichen Rahmen für unsere Idee zu erfragen und um über mögliche Auflagen informiert zu werden.“
Tom Sukowski: „Inzwischen ist es so, dass die älteren Kinder aus der Ukraine doch einen Platz in der Schule gefunden haben. Es herrscht aber weiterhin ein absoluter Mangel bei den Kitaplätzen. Hier ist es meistens nicht möglich, eine Lösung zu finden, einfach weil das Personal fehlt. Wir hier im FuD sind ja auch leider keine Kita. Die Mitarbeitenden vom Landkreis Havelland haben uns aber sehr unterstützt. Sie haben uns dazu geraten, eine Mutter-Kind-Gruppe ins Leben zu rufen. Das haben wir am 30. Mai auch getan.“
Drei Mal in der Woche ist die Lebenshilfe ein Ort der Begegnung und des Austausches
Seitdem kommen Mütter mit ihren Kindern am Montag, Mittwoch und Freitag zwischen 9 und 12 Uhr in die Lebenshilfe, damit die Kinder miteinander spielen können.
Tom Sukowski: „Im Schnitt zehn Mütter nehmen mit ihren Kindern an diesem Angebot teil. Es fallen für sie keinerlei Kosten an. Für alle gibt es vor Ort auch immer ein Mittagessen. Es freut uns, dass es sich viele ukrainische Mütter nicht nehmen lassen, auch einmal einen selbstgebackenen Kuchen mitzubringen. Wir unterbreiten ihnen dafür ein niedrigschwelliges Deutsch-Lernangebot, sodass sie unsere Sprache besser lernen können. Außerdem beraten wir die Mütter sehr gern, vor allem dann, wenn es um die berühmte deutsche Bürokratie geht.“
In der Gruppe geht es aber auch um den Austausch der Mütter untereinander. Sie nutzen die Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Hier dreht sich natürlich alles um die aktuelle Situation in der Ukraine und um die Gesundheit der Lieben, die noch vor Ort sind – meist sind das ja die Männer und die erwachsenen Söhne. Einige der ukrainischen Frauen kommen auch aus Regionen, in denen die Lage sehr ernst ist und die im Zentrum des Krieges stehen – etwa aus Charkiw.
Tom Sukowski: „Unser Angebot wurde sehr dankbar angenommen. Eine Verständigung ist mir dabei oft nur mit Händen und Füßen möglich, da ich ja selbst kein Ukrainisch spreche. Wir haben zum Glück zwei Mitarbeiterinnen, die die Sprache verstehen und beim Übersetzen helfen. Eine Kollegin lebt schon länger in Deutschland. Sie kann sehr gut Deutsch sprechen, beherrscht aber auch die ukrainische Sprache. Als Übersetzerin ist sie sehr wichtig für uns. Und dann haben wir noch eine zweite Kollegin gefunden. Hier haben wir die einschlägien Gruppen auf WhatsApp, Telegram und Co. durchforstet, wo sich die Geflüchteten untereinander austauschen. Aber es war trotzdem schwer, jemanden zu finden. Wir sind jetzt sehr froh, dass beide Frauen, die uns nun bei der Kommunikation helfen, auch einen pädagogischen Hintergrund haben.“
Markus Janitzky: „Alle unsere Besucher in der Mutter-Kind-Gruppe sprechen Ukrainisch. Sie alle verstehen aber auch Russisch. Manche von ihnen wurden nicht das erste Mal von den Russen vertrieben – und mussten nun ein weiteres Mal vor ihnen flüchten.“
Tom Sukowski: „Hier treffen wirklich harte Schicksale aufeinander. Man bricht wirklich nicht ohne weiteres alle Verbindungen hinter sich ab und flüchtet in ein Land, dessen Sprache man nicht versteht.“
Die Kinder, die zurzeit auf dem Gelände der Lebenshilfe miteinander spielen, sind zwischen zwei und sechs Jahre alt. Tom Sukowski: „Die älteren Kinder sind bereits alle in der Schule eingebunden und besuchen die Willkommensklassen. Die Probleme im Kitabereich sind enorm, die Kitas sind auf Jahre hinaus an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Unsere Mutter-Kind-Gruppe ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir bieten vor allem einen Raum der Begegnung und der Beratung. Was wir nicht bieten können, ist eine Entlastung für die Mütter. Sie müssen anwesend sein. Ihnen obliegt die Aufsichtspflicht für ihre Kinder. Das bedeutet aber auch, dass sie in dieser Zeit nicht arbeiten gehen oder etwas für sich selbst unternehmen können.“
Markus Janitzky: „Wir werden das Angebot auf jeden Fall weiter aufrecht erhalten – solange es benötigt wird.“
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 196 (7/2022).
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27.07.2022 - 12:07 Uhr
14612 Falkensee